Montag, 7. Juni 2010

Meine Uhr ist nicht deine Uhr

Kurz vor 10 betrete ich die heiligen Hallen jener Konsumentinnen zu denen wir zählen. Keine Menschenseele außer die Belegschaft zu sehen. Einsam, aber entspannt trotte ich durch die endlosen leeren Gänge und kann mir schlecht das mitwippen zu dem Mixtape verkneifen, welches mir Timmer vor kurzem zusammengestellt hat. Ausnahmsweise mal Hiphop, ich hätte fast gesagt alter Schule, denn die 90er liegen schon ein wenig zurück. Jetzt haben wir schon die 10er. Jedenfalls mit so Leckereien a la Public Enemy, Wutang Clan, Nas und mir bis dato viel unbekanntem Stuff wie Quasimoto, Madvillain, Lord Finesse oder ATCQ drauf.
Ich habe an sich nicht vor hier endlos Kram hoch zu laden um eure Gehörgänge zu verwöhnen, aber wenn überhaupt dann diesen Sampler.
Zurück zum Konsumtempel der immer noch wie leer gefegt ist und mir, der sonst all das ganze drum herum hasst,diese Einkaufkörbe die mit Rentnern um die Wette im Weg stehen, die eigene Gestresstheit, weil die Zeit im Nacken liegt und die Jungprols und die Jungproletkas mit ihren Mixgetränken vor mir an der Kasse. All das entfällt. Und nur deshalb, weil ich meiner gewohnten Umgebung den Rücken zu gedreht habe. Mich schwitzend in den überfüllten und stickigen Zug gestetzt habe und in die Provinz gefahren bin. Dort wo ab 9 Abends schon an den nächsten Tag gedacht und mir spätestens jetzt klar wird, dass ich genau dort angelangt bin.
Das eigene und fremde Konsumverhalten sozusagen als Orientierungshilfe.
Ums damit gleich zu Beginn vornweg zu nehmen. Part of the system so siehts aus und nich anders, auch ohne Sparbuch, BWL-Studium oder Guidomobil.
Die subkulturelle Seifenblase ändert daran nix eher ach egal, darum solls jetzt nicht gehen.
Sondern darum, dass ich tatsächlich hier die Zeit finde diesen Kram aus dem Bauch heraus abzutippen. Im Ohr das neue Gaslight Anthem Album. Bei den ersten beiden Liedern gleich ein wenig fremdgeschämt, ok nicht ganz so arg, aber schon leichte Enttäuschung am Nachmittag, weil mich "59 sound" damals komplett weggeblasen hat und der damit verbundene Rückgriff auf den Erstling "Sink or swim" mich nur in dem Gefühl bestärkt hat, daraus resultierend die Erwartung an alles neue enorm hoch war und ist. Nun das zweite mehr oder weniger bewusste Hören und schon beim dritten Song namens "bring it on" das alte Spiel, pathetische Teenagerlovestorys. Scheinbar doch noch alles beim alten, aber es wird kaum diese Wellen los treten wie die Vorgängeralben zumindest nicht bei mir.
Ganz anders die neue, gleichnamige LP von Masshysteri. Die musste ich mir am Samstag unbedingt kaufen und habs alles andere als bereut. Wieder die unüberhörbare Melancholie, die aber doch irgendwie auf eine unbeschreibbare Weise ein Lächeln auf mein Gesicht zaubert, meine vom Wochenende (der Sonnenaufgang am Sonntagmorgen und die dazugehörige achundkrachparty konnten so einiges) müden Augen glänzen lässt und mich in Versuchung bringt die schwedischen Refrains mitzugröhlen.
Wieder Melodien en gros, aber trotzdem anders als das Vorgängeralbum. Die Songs wirken verspielter bleiben aber trotzdem unverkennbar Masshysteri. Ein wenig experimenteller, etwas poppiger, aber tausendfach von diesem glatten Sound a la Gaslight Anthem entfernt.
Schon jetzt wahrscheinlich das Album was mich die durch den Sommer begleiten wird.
Ich muss ja zugeben ich bin erst durch The Vicious an Masshysteri rangekommen. Und die erste Single hat mich zu sehr an die glorreichen Gorilla Angreb erinnert, so dass ich fast verächtlich im Sinne von "die kopieren die ja bloß" den Zugang zu meinen Ohren versperrt hätte, aber nix da, Masshysteri habens doch noch über Umwege geschafft, wenn auch sie schwerlich The Vicious verblassen lassen können.
Mal sehen wie lang es mich hier in der Provinz mit den völlig conträr verlaufenden Biorythmen hält(Halb 10 meinte Johny am Telefon er liege schon im Bett.....).


masshysteri

gorilla angreb

the vicious

the gaslight anthem